Konzert-Kritik: Joshua Radin, 8. Mai 2015 im X-Tra in Zürich

Joshua Radin ist ein Frauenschwarm wie aus dem Bilderbuch, mit wuscheligem Lockenkopf, braunen Rehaugen, Dackelblick und einer Stimme, die jeden Gletscher zum Schmelzen bringt. Es gibt wohl kaum eine Frau, die ihn nicht sehnsüchtig anschmachtet, wenn er seine Gitarre zur Hand nimmt und seine liebesgetränkten Songs zum Besten gibt.

Joshua ist sich dieser Tatsache natürlich äusserst bewusst und spielt deshalb gerne mit diesem Klischée. Auch an diesem Abend im X-Tra in Zürich liess er seinen Charme ungehemmt auf das Publikum los und schaffte damit ein intimes, unterhaltsames Ambiente, trotz eher kühler Atmosphäre im Club. Man hätte sich an dieser Stelle eine etwas kleinere Location gewünscht, und am allerbesten wäre wohl sowieso eine gänzlich unverstärkte Show gewesen. Denn wenn Radin vom Mikrofon wegtrat und den Verstärker für seine Gitarre ausschaltete, spürte man endlich diese Magie und Nähe, die von ihm ausgeht und die man den ganzen Abend etwas vermisste. Denn diese ging leider durch die Verstärker und auch den überaus dominanten Bass (den hätte es wirklich nicht gebraucht, man hätte hier gescheiter einen Kontrabass mitgebracht) regelrecht unter. Gegen Mitte des Konzerts wurde jedoch der Sound allgemein besser und der Bass dröhnte nicht mehr ganz so scheppernd durch die Boxen.

Nichts desto trotz zeigte der über beide Ohren in eine Schwedin verliebte Joshua einen gut zusammengestellten Querschnitt durch sein Schaffen der letzten Jahre und streute hie und da Songs aus seinem neuen Album Onward & Sideways ein. Zwischen den Stücken gab er sich kommunikativ und erzählte Geschichten über seine Lieder, wann, warum und wo er diese geschrieben hatte und liess keine Gelegenheit aus, von seiner neuen grossen Liebe zu schwärmen – womit er wohl im Publikum einige Herzen gebrochen hatte.

Die Stimmung im X-Tra war während des ganzen Konzertes eigentlich recht gut, litt aber ein wenig darunter, dass das Konzert bestuhlt war. Als Radin zur Mitte des Sets die Leute aufforderte, aufzustehen, da jetzt ein paar rockige Songs folgen würden, wurde dann endlich auch geklatscht und mitgewippt, was den eher stillen und bedächtigen Abend deutlich auflockerte und für etwas zusätzliche Abwechslung sorgte. Eindrücklich war, dass trotz der eher ruhigen und eintönigen Musik von Joshua Radin nie Langeweile aufkam und das sowieso eher kurze Konzert (ca. 1 Stunde 20 Minuten Spielzeit) kurzweilig und zügig vorüberging. Kurz vor Ende des Sets kam der amerikanische Schmusebarde dann auch alleine mit Gitarre ins Publikum und performte ein amüsantes Medley, während er immer wieder verschmitzt und auffordernd das Publikum beäugte, was einige lustige Momente bot.

Alles in allem hat die Charme-Offensive von Joshua Radin also ihre Wirkung getan und leider war das Konzert viel zu schnell vorbei. Und obwohl das Publikum am Ende kaum mehr aufhörte, zu Klatschen und Zugaben zu fordern, wurde schnell und kommentarlos die Bühne geräumt, was unglücklicherweise einen etwas fahlen Beigeschmack zurückliess.

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