Konzert-Review: Augustines, 18. November 2014 im Exil Club in Zürich

Es gibt eigentlich kaum etwas schwierigeres, als Musik in Worte zu fassen. Einfacher ist es natürlich, wenn man etwas zu kritisieren hat, wenn man an etwas rumnörgeln kann, wenn man seine Subjektivität und die Gefühle einmal auf die Seite stellen und pure Fakten vorlegen kann. Zur völligen Überforderung führt es aber dann, wenn ein Konzert von Anfang an bis zum allerletzten Ton eine wahre Offenbarung ist. Wenn man gar nicht mehr weiss, wohin mit den Gefühlen, die einen zu überwältigen drohen. Wenn man Tränen in den Augen hat, weil man derart bewegt und berührt ist von jedem einzelnen Wort und von jeder gespielten Note.

Wenn man die Jungs von Augustines so betrachtet, scheint es im ersten Moment nicht so, als dass man eine weltbekannte Rockband antrifft. Viel eher gibt man den sympathischen Amerikanern einen Job wie Holzfäller, Kellner oder Schreiner, jedenfalls etwas währschaftes, handwerkliches, etwas rohes. Dass Sänger Billy McCarthy sich am Mikrofon aber vom harten, unnahbaren und rebellischen Kerl zum sanftmütigen, sensiblen und nachdenklichen Jungen von nebenan entwickelt, erwartet man in keiner Weise. Und das alles, ohne eine Spur seiner rauen Männlichkeit einzubüssen – ganz im Gegenteil. Man möchte sich die Jungs schnappen, mit ihnen zur nächsten Kneipe strolchen und bei Bier und Zigaretten die ganze Nacht hindurch über das Leben sinnieren und in alten Zeiten schwelgen.

Ihre Musik ist eine geballte Ladung an Emotionen, ein Sammelsurium an Wut, Liebe, Enttäuschung, Hoffnung, Freundschaft, Sehnsucht und Leidenschaft, verpackt in Melodien, die direkt ins Herz treffen, schlichtweg einfach Songs, die an Intensität nicht mehr zu übertreffen sind. McCarthy singt dazu, als ginge es um sein Leben. Jede einzelne Silbe, jeder einzelne Ton, welcher sein gewaltiges Stimmorgan hervorbringt, trägt derart viel Gefühl in sich, dass man meinen könnte, er reisse sich gerade selber das Herz heraus. Im Gegenzug dazu zerreisst es einem aber selber beinahe die Eingeweide. Wieviele Emotionen erträgt man überhaupt?

Das Konzert von Augustines war eine unglaubliche Reise. Eine Reise durch sich selbst, eine Reise in die Vergangenheit, eine Konfrontation mit allem, was da gefühlsmässig gerade in einem ist, oder eben auch nicht. Wären Augustines Seelenklempner, man würde ihnen sofort das ganze Herz ausschütten. Die Jungs und ihre Musik strahlen unentwegt bedingungslose Ehrlichkeit und Authenzität aus. Egal ob McCarthy sehnsüchtige Balladen dahinhaucht, die Band gerade zu einem wilden Gitarren- und Trompetenexzess ausbricht oder der ganze Saal genüsslich mitgröhlt – man fühlt sich aufgehoben, verstanden und überwältigt von soviel gegenseitiger Liebe. Was kitschig klingt, ist Tatsache: Augustines schätzen ihr Publikum wirklich und genau so schätzt man auch sie. Man wird als Zuhörer eingebunden in das Geschehen und das zeigte sich am deutlichsten, als das Konzert eigentlich schon vorbei war. Denn eigentlich ging es jetzt erst recht los!

Nach dem ersten Zugabenblock tauchten die Jungs nämlich plötzlich ganz hinten im Saal auf, um in die Mitte des Raums zu gelangen, wo sie inmitten der tobenden Menge noch eine Handvoll Songs performten. Was für ein Fest! Die Jungs scherzten mit dem Publikum herum, sangen sich die Seele aus dem Leib und feierten sich und die Musik und sowieso das Leben. Was für ein beflügelndes und ekstatisches Erlebnis!

So war nach dem Konzert plötzlich wieder vor dem Konzert. Man fühlte sich dabei ertappt, wie man sich wünschte, der ganze Gig hätte akustisch im Publikum stattgefunden. Wofür braucht diese Band überhaupt Strom und Verstärker? Leider war die Party nach gut zwei Stunden viel zu früh vorbei. Viel zu früh. So wunderbare, berührende Erlebnisse dürften nächtelang andauern – und doch, man muss gehen wenn’s am schönsten ist. Danke, Augustines, bitte kommt bald wieder!

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