Konzert-Kritik: Frank Turner, 19. Januar 2016 im Volkshaus Zürich

Man ist zuerst leicht irritiert. Das, was da nämlich gerade auf der Bühne für den Hauptgig aufgebaut wird, ist tatsächlich ein Bühnenbild. Links und rechts werden die Instrumente und Mikrofonständer von grossen, leuchtfähigen Boxentürmen flankiert, auf denen Plus und Minus zu sehen sind, wie sie Frank Turners neue Platte Positive Songs for Negative People zieren. Man nimmt also zur Kenntnis: Frank hat jetzt ein Bühnenbild. Diese Tatsache muss man zuerst einmal ein wenig verdauen. Vom Jungen mit der Gitarre, der vor 5 Nasen in verrauchten, heruntergekommenen Bars gespielt hat, zum angesehenen Musiker, der in grossen Clubs vor Publikum spielt, das ihn wahrscheinlich nur aus dem Radio kennt. Betritt er damit endgültig eine neue Ära oder ist er einfach nur erwachsen geworden?

Die Zweifel sind für eingefleischte Fans natürlich äusserst berechtigt. Wer ihn von früher kennt, sehnt sich schon lange nach den kleinen, intimen Konzerten zurück, an denen Frank sowohl vor wie auch nach den Konzerten für seine Fans da war. Hände geschüttelt hat, gemeinsame Fotos machen liess, Autogramme gab und sich stets für das eine oder andere Gespräch Zeit nahm. Mittlerweile ist der Sänger etwas vorsichtiger geworden und auch ruhiger. Nach den Shows zieht er sich meistens zurück, nicht zuletzt wegen seinen gesundheitlichen Problemen mit dem Rücken, die ihn schon seit einigen Jahren plagen. Doch trotz all diesen Einbussen, die von den Fans der alten Garde erduldet werden müssen, bringt Frank musikalisch immer noch eine Topleistung zustande.

An diesem Abend im Volkshaus in Zürich ist der Rahmen perfekt. Der Raum ist gut gefüllt, aber nicht überfüllt. Der Sound kommt, wie immer im Volkshaus, wunderbar abgemischt aus den Boxen. Einzig: Etwas zu leise zu Beginn des Konzerts. Dies wurde aber im Verlaufe der Show besser – oder aber Frank und seine Band gaben einfach immer mehr Gas. Am Anfang des Sets zeigte sich nämlich das Publikum noch beinahe gänzlich unbewegt von dem, was sich auf der Bühne abspielte. Die Band musste sich richtig ins Zeug legen, um die Zürcher nur ansatzweise etwas zum Tanzen zu bringen. Es kam auch erst richtig gute Stimmung auf, nachdem Frank so im zweiten Drittel des Abends seine Akustik-Einlage beendet hatte. Ab diesem Zeitpunkt und mit dieser ruhigeren Pause schien dann endlich der Groschen gefallen zu sein, denn ab da stieg die Stimmungskurve bis zum Ende der fulminanten Zugaben inklusive Stage-Dive des Sängers höchstpersönlich stetig an.

Vom neuen Album streut Frank nur eine Handvoll Songs ins Set. Mehrheitlich bringt er seine alten, allseits beliebten Hits zum Besten, darunter Songs wie „Ballad of me and my friends“, „Long live the Queen“, „Photosynthesis“, „Disappear“, „I wanna Dance“ oder „The Road“, die allesamt natürlich frenetisch vom Publikum gefeiert werden. Jedoch ist auch das neue Material, das Frank in gewohnt viel rockigerer Manier als auf den Aufnahmen vorträgt, absolut bühnentauglich.

Man kann zu diesem Konzertabend mit Frank Turner und seiner Band The Sleeping Souls nichts negatives sagen. Sie toben einmal mehr mit Karacho durch Europa und machen ihre Sache verdammt gut. Mainstream hin oder her, mit seinem Charme und Witz, der enormen Spielfreude, den eingängigen Songs und der gesamten Band-Energie und -Harmonie ist es immer wieder eine Freude, die Engländer live zu erleben und diese Magie zu spüren. Merci, Frank!

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