Konzert-Review Charlie Winston

Es fällt mir ein wenig schwer, heute dieses Review zu schreiben, da ich das Gefühl habe, Charlie Winston damit Unrecht zu tun – denn überzeugt hat er gestern Abend im Club Metro beim Flughafen Basel überhaupt nicht. Die Frage nach dem „Warum“ bleibt dabei allerdings ungeklärt in der Luft hängen.

Bis ich zum eigentlichen Review komme, muss ich etwas ausholen: Der Club Metro liegt im Gebäude des Grand Casino Basels in der Nähe des Flughafens Basel-Mulhouse. Ich war vorher noch nie da und ich erwartete klischeegerecht einen edlen, protzigen Club und ein versnobtes, älteres und völlig ahnungsloses Publikum. Beim Empfang wird zuerst einmal der Personalausweis genau unter die Lupe genommen. Danach muss man seinen im Internet vorbestellten „Voucher“ in ein Konzertticket einlösen lassen, wobei man auch gerade noch einen Gutschein im Wert von 5 Franken in die Hand gedrückt kriegt, den man an einem der Spielautomaten einlösen kann – na gut, wir waren in einem Casino, man konnte es ja nicht leugnen. Als normaler Konzertbesucher jedoch fühlte ich mich dadurch schon ein wenig überrumpelt. Der Club ist im Untergeschoss, trotzdem erkundeten wir natürlich neugierigerweise das Obergeschoss mit den Spieltischen, man will sich ja dieses ominöse Casino auch einmal von innen ansehen. Es erwartete uns ein ziemlich kleiner, dunkler Raum, in dem überwiegend dunkelroter Samt überwiegt und einen von allen Seiten her zu erdrücken scheint. Die Stimmung ist zwar ruhig, aber auf eine unangenehme Weise trotzdem hektisch und angespannt. Die Herren an meiner Seite konnten es nicht lassen, einen kleinen Einsatz zu tätigen – und natürlich zu verlieren. 😉 Dann, ab in den Club ins Untergeschoss. Man muss zuerst durch den ganzen Casino-Raum voll mit Spielautomaten gehen um zum Club zu gelangen. Es erwarteten uns seltsame asoziale Wesen, die wahrscheinlich schon den ganzen Tag da sassen, und daneben mehrheitlich Rentner. Die Konzertbesucher, die man natürlich in dem Spielautomatengewühl sofort erkannte, liefen teils hilflos und verwirrt, teils neugierig und leicht irritiert zwischen den Automaten hindurch, was ein ziemlich herziger Anblick war (wir sahen ja wahrscheinlich auch nicht besser aus). Weiter gings durch einen sehr kalten, ungemütlichen Raum mit Fumoir-Abteil in Richtung Club. Dieser ist an sich eigentlich sehr cool gestaltet, ein länglicher Raum, schlicht gehalten in Beton und mit grossen Rohren und Lüftungen an der Decke, ein wenig Fabrik/Loft-ähnlich mit einer länglichen Bar auf der Seite und einer Galerie mit Tischen und Sesseln, die aber an Konzerten scheinbar nur für VIPs bestimmt ist. Die Bühne ist hoch und hat eine angenehme Grösse, man kann eigentlich auch von weiter hinten einiges sehen, wenn nicht gerade Riesen (Murphy lässt grüssen) vor einem stehen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Reise zum Club Metro ist abenteuerlastig und nicht wirklich fördernd für eine gute Konzertstimmung. Dazu kam noch das Publikum: eigentlich mehrheitlich Franzosen, die (vorurteilsbehaftet, ja, aber es war wirklich so) nach unzähligen billigen und süssen Parfüms rochen, sich, als gäb’s kein Morgen, vorne an die Bühne drängten und auch keinerlei Rücksicht auf Verluste nahmen während dem Konzert, um nach vorne zu kommen. Ein sehr bunt durchmischtes Publikum, zwar eher älter, wie erwartet, aber sehr seltsame Menschen. Jedenfalls keine gute Gesellschaft, um sich wohl zu fühlen.

Wie dem auch sei, endlich zum Konzert:
Getrübt von dieser Grundstimmung kam Charlie Winston mit einer guten Viertelstunde Verspätung auf die Bühne und begrüsste das Publikum eher schüchtern, aber gut gelaunt. Da ich ihn schon einmal live erlebt habe, merkte ich aber bald, dass er nicht sonderlich fit war. Wahrscheinlich lag das noch an seinen gesundheitlichen Problemen, er musste vor ein paar Wochen zwei Konzerte verschieben wegen einer Grippe. Jedenfalls spielte er trotzdem solide und gut, wir immer, seine Band brachte einen ordentlichen Sound zustande und die Lichtshow liess auch keine Wünsche offen – seine so typische Charlie-Winston-Energie fehlte aber gänzlich. Er tanzte kaum, sondern stand meistens still am Mikrofon oder sass beinahe regungslos am Klavier. Seine lustigen Tanzeinlagen sind aber genau das, was ihn ausmachen. Die Setlist war nur auf sein neues Album ausgerichtet, was ja auch ok ist, schliesslich will er es promoten. Aber von seinem Debut-Album kam trotzdem viel zu wenig. Denn wenn, dann merkte man sofort, dass es ihm mit den alten Songs viel wohler gewesen wäre, denn da spürte man endlich ein bisschen von diesem Charlie-Charme, den ich das ganze Konzert lang vermisst habe. Es fehlten diese ganz speziellen Gänsehaut-Momente, die er mit seinen langsamen und traurigen Songs zwischen all diesen lustigen und rasanten Gassenhauern so wunderbar hervorzaubert oder auch mit fulminanten und energischen Songs wie „Boxes“ oder „My Name“, die er schlichtweg einfach aus seinem Konzertrepertoire gestrichen hat – leider! Ausserdem kommt auf seinem neuen Album gar nicht so zur Geltung, was für ein begnadeter Pianist er eigentlich ist.

Ein bisschen von seiner typischen Energie kam erst zum Vorschein, als er sich bei einem seiner alten Hits „in your hands“ ins Publikum wagte und in die VIP-Lounge „einbrach“, um von da oben dem Publikum so richtig einzuheizen. Ich hätte mir gerne mehr davon gewünscht, denn so bleibt irgendwie ein ziemlich fader Beigeschmack zurück.

Ich denke es war eine Mischung von allem, Location, merkwürdige Atmosphäre, seltsames Publikum, Charlie in schlechter Verfassung, die das Konzert gestern nicht wirklich gut werden liess. Ich hoffe, er findet wieder zu seiner alten Form zurück (und zu seinen alten Songs!) und dass ich ihn nächstes Mal in einem etwas eher mir entsprechendem Ambiente sehen darf.

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