Gestern Abend im Komplex 457 in Zürich hatte man die Gelegenheit, in den Genuss einer guten Prise Punkrock zu kommen – das in Form von zwei Support-Acts und einer Hauptband, die alle drei eine beachtliche Leistung hingelegt haben.
Der Club war um halb 8 schon ziemlich gut gefüllt, als der Niederländer Tim Vantol alleine mit Gitarre die Bühne betrat. Die Befürchtung, dass er unter dem lautstarken Stimmengewirr untergehen könnte, schlug er nach dem ersten Ton in den Wind. Vantol hat eine Stimme, die wahrscheinlich kein Mikrofon gebraucht hätte. So schrammelte er optimistisch auf seiner Gitarre drauf los und schmetterte seine Punkrocksongs ins Publikum, um dabei auch mehrmals zu erwähnen, wie überwältigt er davon war, mit Frank und den Murphys die Bühne zu teilen und dass er sich das vor einem Jahr noch nicht mal zu erträumen gewagt hatte. Seine Songs sollten zum Mitsingen animieren und er versuchte auch von Zeit zu Zeit, das Publikum dazu zu bewegen. Diese Versuche scheiterten aber meistens, da die Songs nicht wirklich eingängig waren. Man fing unweigerlich damit an, Vergleiche zu Frank Turner zu ziehen, der auch alleine mit Gitarre ein riesiges Publikum schon vom ersten Ton an in den Bann zieht und dessen Songs man bei spätestens dem zweiten Hören mitgröhlen kann. Tim Vantol hat ganz klar Potential, auch alleine eine grosse Masse zu begeistern, aber im Songwriting fehlt ihm ein gewisser Touch Mainstream, der ihm gut tun würde. Mit einer Band im Rücken hätte er an diesem Abend wahrscheinlich eher überzeugt. Trotzdem, ein junges Talent, das ohne Frage gross rauskommen könnte!
Nach einer viertelstündigen Pause kam Frank Turner auf die Bühne – zuerst alleine mit Gitarre, bis dann in der Mitte des Songs seine Band The Sleeping Souls mit einsetzten. Wie immer waren die Jungs in blendender Laune und fegten vom ersten Song an wie ein Orkan durch den Komplex 457. Jedoch war Frank an diesem Abend etwas weniger gesprächig als auch schon und das fehlte mir ein wenig. Nichts desto trotz schaffte es die Band, dem bis dahin eher zurückhaltenden Publikum ordentlich einzuheizen. Und obwohl ich Frank bis jetzt vor weitaus weniger Publikum gesehen habe und seine intimen Shows sehr gerne mag, sprang der Funke bis in die letzten Reihen über und es wurde ordentlich getanzt, geklatscht und mitgesungen. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie Frank durch seine Bühnenpräsenz die Leute sofort mitreisst. Auch seine Band hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt und hat sich von einer manchmal etwas unkoordiniert herumschrammelten Punkband zu einer ernstzunehmenden, hochtalentierten und druckvollen Punkrockband entwickelt. Es ist immer wieder eine Freude, dieser Band zuzusehen und ihre Spielfreude zu erleben. Das Set war für Franks Verhältnisse zwecks Zeitmangel an diesem Abend relativ kurz, nur etwa 50 Minuten dauerte das Intermezzo. Obwohl ich es sonst schätze, wenn die Bands pünktlich spielen und auch wieder rechtzeitig aufhören, hätte ich mir von Frank Turner und den Sleeping Souls an diesem Abend mehr Songs gewünscht, und ich glaube ich war mit diesem Wunsch nicht die einzige. Übrigens bringen die Jungs bald ein neues Album raus: Tape Deck Heart soll am 22. April erscheinen.
Um halb 10 war es soweit und der Hauptact, die Dropkick Murphys, betraten nach einem epischen Intro mit irischer Folkmusik und einer dramatischen Lichtshow die Bühne, frenetisch gefeiert vom Publikum („Let’s go Murphys!“). Passend dazu der erste Song: „The Boys are back“ von ihrem kürzlich releasten Album Signed & Seald in Blood. Die Murphys, das ist eine Maschine, die läuft und läuft und läuft. Seit 1996 machen die Jungs gemeinsame Sache, seit 1998 mit dem aktuellen Sänger Al Barr. Sie haben sich im Olymp des Punkrock schnell einen festen Platz erkämpft und diesen bis heute erfolgreich gehalten, ihre Fangemeinde wächst auch heute noch stetig und sie füllen problemlos grosse Hallen. Das Publikum war auch an diesem Abend im Komplex 457 von der ersten Sekunde an mit einer grandiosen Stimmung mit am Start.
Die Band brachte Songs aus dem breiten Spektrum ihres langjährigen Schaffens. Von alten Hits bis ganz neuen Songs war alles dabei und somit eine ganz gelungene Mischung. Die neuen Songs funktionierten live prima, was aber auch nicht überraschend war, denn ihre Songs sind eigentlich durchgehend nach dem selben Muster aufgebaut, und somit kommen wir für mich zu einem kleinen Wermutstropfen: Die Murphys haben sich in den letzten Jahren kaum weiterentwickelt. Sie haben ihren Stil, mit Dudelsack und Akkordeon. An den richtigen Orten platzieren sie Hooklines zum mitsingen und -gröhlen und lassen an den richtigen Stellen die Gitarren sprechen. Aber ich finde, nach all diesen Jahren könnten sie etwas Innovation einbringen. Flogging Molly ist das damals mit ihrem Album Float auch gelungen, nämlich einem Stil absolut treu zu bleiben und trotzdem mal etwas Neues zu wagen, über die Grenzen schauen und die Fans überraschen. Bei den Murphys weiss man ganz genau, was einen an den Konzerten erwartet und das liefern sie auch mit einer soliden Leistung ab.
Grundsätzlich finde ich aber auch, dass da gar nichts dagegen spricht. Fans der Murphys wollen einen Abend lang Spass, wollen sich betrinken, wollen mitgröhlen, wollen sich austoben und verschwitzt und selig aus dem Club laufen – und das ist der Band an diesem Abend auch wieder einmal gelungen. Von daher ist das ein Schema, das bestens funktioniert und von ihren Fans auch anstandslos akzeptiert wird. Alles in allem brachten die Dropkick Murphys den Punkrock-Abend zu einem würdigen und gelungenen Abschluss.
Was ich noch lobend erwähnen möchte: Nach einigen Konzerten im Komplex 457 mit nicht gerade toll abgemischten Sound (am Smashing Pumpkins konnte man zum Beispiel nicht einmal die einzelnen Songs voneinander unterscheiden), war an diesem Abend alles perfekt abgemischt. Es scheint mir, dass sie die Soundprobleme langsam in den Griff kriegen. Zu hoffen wärs, denn das zukünftige Musikprogramm lässt sich wirklich sehen und lässt auf ein paar gute Musikjahre mit dem ehemaligen Abart-Team hoffen.
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