Längere Zeit war es ein seltenes Vergnügen, die Nine Inch Nails in der Schweiz live zu sehen – auch begründet durch die lange Pause, welche die Band in den letzten Jahren eingelegt hatte, damit Frontmann Trent Reznor sich seinen zahlreichen Solo-Projekten widmen konnte. Nun besuchten sie die Schweiz aber gleich zwei Mal mit kurzem Abstand: Letztes Jahr begeisterten sie am Zürich Openair mit einer umwerfenden Bühnenshow und einem tollen Set, vor wenigen Tagen traten sie im Hallenstadion auf – dies aber mit etwas weniger Ambitionen. Doch zuerst zur Vorband:
Mit an Bord hatten sie Cold Cave. Der Amerikaner Wesley Eisold, der Kopf hinter diesem Pseudonym, beschreibt seine Musik als Darkwave, Noise und Synthie-Pop, was es soweit ganz gut trifft. Auf der grossen Bühne des Hallenstadions machen er und seine Keyboarderin aber eine sehr magere Figur und gehen, trotz der monströs beeindruckenden Lautstärke ihres vom Band kommenden Sounds, völlig unter. Musikalisch gleicht ein Song dem anderen und viel Abwechslung bekommt man überhaupt nicht. Da hilft auch das Getanze des Sängers à la Ian Curtis nicht. Sowieso hat man während des fast dreiviertel-stündigen Sets ständig das Gefühl, der junge Wesley möchte sehr gerne in die Fussstapfen des verstorbenen Joy-Divison-Sängers treten, was aber als verzweifelte Sache anmutet und eher Mitleid als Wohlwollen auslöst. Das Ausbuhen seitens des Publikums wäre aber trotzdem nicht nötig gewesen.
Nun zu den Nine Inch Nails. Grundsätzlich ist diese Band ein Garant für tolle Konzerte. Das ist seit jeher so und wird wohl auch immer so bleiben. Sie produzieren satten, hämmernden Sound der durch Mark und Knochen geht, sind instrumental, stimmlich und generell musikalisch auf einem unerreichbaren Niveau und verstehen es, ihre Bühnen- und Lichtshows optimal auf die Songs abzustimmen. Dies war auch an dem Abend im Hallenstadion wieder in überdurchschnittlicher Weise gewährleistet. Jedoch zeigte die Setlist ein paar deutliche Schwachstellen.
Zuerst stiegen sie mit einigen Hits ein, was die Stimmung im Publikum natürlich in Windeseile in die Höhe schnellen liess. Trent Reznor, in gewohnter Weise sehr wortkarg, gab gesanglich alles, was seine Stimme hergab, und die Band, zu Beginn des Konzerts noch begleitet von einem richtigen Schlagzeug, fegte nur so über die Zuschauer hinweg. Etwa im zweiten Drittel des Sets brach die Stimmung dann aber plötzlich ab. Die Gründe dafür? Entweder lag es daran, dass das Schlagzeug kurzerhand durch Drumcomputer ersetzt wurde und mehrheitlich neuere Songs gespielt wurden, oder die Songs kamen einfach so nicht gut beim Publikum an. An der soliden Leistung der Band lag es bestimmt nicht.
Erst gegen Ende des Hauptteils, etwa die letzten zwei, drei Songs, wurde wieder mit richtigem Schlagzeug performt und es rockte wieder so ordentlich, wie man es sich gewünscht hatte. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt, als die Band zum ersten Mal die Bühne verliess und man erhoffte sich einige tolle Zugaben. Schlussendlich verabschiedete sich die Band aber kurz und sehr trocken mit „The Day the World Went Away“ und einem recht uninspirierten „Hurt“. Ein grosser Ärger für alle Fans: Noch nicht mal der letzte Ton von „Hurt“ war erklungen, als im Saal bereits die Lichter angingen und unpassende, kitschige Musik eingespielt wurde. Sowas ist dreist, unpassend und hinterlässt einen sehr fahlen Beigeschmack.
Trotz diesen negativ aufgefallenen Punkten zeigten die Nine Inch Nails einmal mehr, dass sie immer noch eine der besten Livebands überhaupt sind. Die Lichtshow war atemberaubend, perfekt abgestimmt und sorgte teilweise sogar für wahre Sinnestäuschungen, als zum Beispiel rote und grüne Spots in so schnellen Intervallen flackerten, dass man beinahe erblindete. Alleine deswegen lohnt sich ein Besuch eines Nine-Inch-Nails-Konzerts immer wieder.
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