Konzert-Review Stealing Sheep

Wenn man Stealing Sheep googelt, dann blicken einem stets drei verträumt dreinschauende Hippiemädels entgegen. Herzig, denkt man, ganz süss. Auch die Studioaufnahmen und die paar wenigen Youtube-Clips sehen ganz nett aus und hören sich lustig verschroben und auf eine angenehme Art und Weise sperrig an. Wenn man diese scheinbar harmlose Girlband dann aber auf der Bühne sieht, dann wird man ganz schnell eines besseren belehrt.

Schon vom ersten Ton an legen die Mädels mit einer Wucht los, die man diesen dreien bei weitem nicht zutraut. So unschuldig und zerbrechlich wirken sie auf den ersten Moment – wie sie da auf der Bühne stehen, mit Glitzer-Hotpants, Lametta-Ohrringen, Bändeln an den Gitarren, Lichterketten um die Instrumente und Mikroständer geschlungen, Glitzer-Haarbändern um die Stirn, mit diesem leicht wahnsinnigen Blick und diesem geheimnisvollen Funkeln in den Augen. Es haut einen schlichtweg um. Eine kaum fassbare, riesige Energie strahlen sie aus, diese Stealing Sheep aus Liverpool, von denen man bis vor kurzem noch gar nicht viel gehört hat. Und jetzt posten plötzlich Alt-J und Beth Orton auf ihren Facebookprofilen Videos dieser schrulligen Band. Das lässt einen aufhorchen!

Da werden Instrumente verwendet, die unsereins bestenfalls aus dem Spielzeugladen oder von esoterischen Marktständen kennt – aber so geschickt und liebevoll eingesetzt, dass es die psychedelischen Songs perfekt unterstützt. Immer darüber: Der meist dreistimmige Chorgesang der Mädels. Im ersten Moment befürchtet man, dass diese Dreistimmigkeit mit der Zeit nerven könnte, aber diese Befürchtung verflüchtigt sich nach wenigen Minuten. Diese treibende und pulsierende Kraft, die von der Band ausgeht, zieht einen unweigerlich mit und führt den Zuhörer in eine Welt weit abseits von der irdischen, in der wir uns befinden. Die rasanten Tempi-Wechsel mitten im Lied, der abrupte Wechsel von 4/4-Takt in einen unscheinbaren Walzer – was zuerst wie ein zielloser Klangteppich wirkt, baut sich immer mehr zu genialen, durchkomponierten Szenerien auf. Jeder Song ist in sich ein entzückendes und durchwegs stimmiges Meisterwerk. Dieser verschrobene, sperrige und doch betörend harmonische Psychedelic-Folk macht Lust auf mehr und schon bald ertappt man sich dabei, wie man, getrieben von den Trommelbeats und der enormen Spielfreude der Band, zufrieden – und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht – mitwippt.
Die sympathische und herzig verkorkste Art der Mädels verlieh der Show noch das gewisse etwas. Jede war auf ihre Art wunderbar speziell und sie sorgten mit ihren witzigen Zwischengesprächen für eine gute und entspannte Stimmung im Raum. Ausserdem empfand ich selten einen Konzertraum als so passend für eine Band, wie es der 1. Stock in Münchenstein für Stealing Sheep war: Klein, herzig, schrullig, verspielt, verträumt und auf eine gute Art und Weise absolut wahnsinnig. Streckenweise kam ich mir als Zuhörerin vor wie in einem Tarantino-Streifen. Vielleicht tauchen sie ja schon bald auf einem seiner nächsten Soundtracks auf?

Jedenfalls ist Stealing Sheep eine Band mit Ohrwurmcharakter, die ihre volle Kraft erst aus den Live-Auftritten schöpft. Sie gehören auf die Bühne, da sind sie zu Hause. Ihre drei Stimmen gehören zusammen, sie harmonieren, als wären sie füreinander entworfen worden. Ihre Musik schafft es, zu fesseln, vom ersten Moment an. Das war ein richtig grandioses, intimes, spannendes, lustiges und erfüllendes Konzerterlebnis. Ich hoffe, wir werden noch viel von diesen verrückten Mädels hören. Ihr Debut-Album heisst übrigens Into The Diamond Sun und ist seit Ende August erhältlich.

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