Plattenkritik: Tegan and Sara – Heartthrob

Mit der Zeit zu gehen ist grundsätzlich keine schlechte Sache. Und auch Veränderungen und Entwicklungen in neue Musikrichtungen haben durchaus positive Aspekte. Tegan and Sara haben mit ihrem neusten Album Heartthrob nun aber eine Richtung eingeschlagen, die man nur schwer nachvollziehen kann.
Die Namen Tegan and Sara standen bis anhin für ein Zwillingsduo aus Kanada, das herzigen, simplen und gefühlvollen Indiepop anbot. Mit ihren süssen Stimmen, ihren schlichten und eingängigen Songs, stets mit viel Gitarre und Piano begleitet, sangen sie sich in die Herzen der Indiegemeinschaft und besetzten dort einen festen Platz mit einer stetig wachsenden Fangemeinde. Sie verpackten Herzschmerz in leichte, optimistische Songs, so dass man wunderbar dazu weinend und die Welt verfluchend durch die Wohnung tanzen konnte. Auf Heartthrob wirkt es nun, als hätten die Zwillinge gerade erst den Synthesizer und Voice-Effekte entdeckt. Man fühlt sich in die 80er-Jahre versetzt. Schon vom ersten Song an dominiert ein elektronischer Sound, der unweigerlich platt und bemüht wirkt und dem es eindeutig an Tiefe fehlt. Auf den sonst so leichtfüssig bezaubernden Stimmen der Schwestern liegen starke, verzerrende Effekte. Man ertappt sich beim Hören ständig dabei, auf ein Klavier oder eine Gitarre zu hoffen, oder ein richtiges Schlagzeug anstelle eines Drumcomputers – Es hätte den Songs mehr als gut getan. Bei „I was a Fool“ erklingt ein richtiges Klavier auch tatsächlich – um aber kurz darauf wieder in den elektronischen Plattitüden unterzugehen. In „I’m not your hero“ oder in „Love they say“ hört man für einen kurzen Moment Gitarrenintros, aber auch diese werden nach wenigen Takten wieder vom Synthie ersetzt und verlieren sich im Nichts.
Nichts desto trotz sind es allesamt Songs mit Ohrwurmcharakter und berührenden Texten und zeugen von intelligentem Songwriting. Aber der Wunsch nach richtigen Instrumenten begleitet einen durch das ganze Album hindurch. Man könnte meinen, Tegan and Sara versuchen ihre „herzige“ Aura loszuwerden, um zu zeigen, dass auch sie endlich erwachsen geworden sind. Man hat das Gefühl, sie wollen sich mit diesem Album in die grossen Clubs auf die Tanzfläche schleichen. Das wäre auch durchaus möglich, wenn man den Bass etwas mehr hätte fetzen lassen – aber die Songs wirken flach, uninspiriert und zeigen kaum musikalische Steigerungen.
Vielleicht sind die Fehler bei Heartthrob auch in der Plattenproduktion passiert, vielleicht wurde es zu clean produziert und abgemischt. Man vermisst das Ursprüngliche von Tegan and Sara. Und sobald diese kurzen Momente der früheren Musik aufblitzen, sowie in der Bridge bei „Love they say“, als der Synthie stoppt und nur noch die Stimme mit Gitarrenbegleitung zu hören ist, geht einem sofort das Herz auf und man hat für einen Augenblick wieder dieses umarmende Gefühl, dass einem die Zwei früher mit ihren Songs vermittelt haben.
Trotzdem ist Heartthrob kein schlechtes Album. Wenn man das Potential der Songs entdeckt und sich Zeit nimmt und die Geduld aufbringt, die feinen Zwischentöne rauszuhören, kann einen das Album trotz dem etwas bitteren Beigeschmack packen, denn die Songs sind wirklich Ohrwürmer! Tegan and Sara mit Heartthrob – sie haben es ein bisschen zu gut mit den Synthies und Effekten gemeint.

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