Vom 28. bis 31. August ging dieses Jahr zum vierten Mal das Zürich Openair über die Bühne. Einiges hat sich im Vergleich zum letzten Jahr verbessert – trotzdem wurde deutlich, dass das umstrittene Musikfestial weiterhin ein Problemkind bleibt.
Die Gründe lassen sich nicht eindeutig festlegen, diese mögen vielfältig sein. Einiges liegt jedoch klar auf der Hand: Die finanzielle Lage des ZOA war bereits im Frühsommer kritisch und es wurde sogar kurzzeitig über eine Absage des Festivals spekuliert. Vielleicht lag es am wenig spektakulären Lineup dieses Jahr, vielleicht an der unsicheren Wetterlage, jedenfalls verzeichnete das Festival ausserdem einen Besucherrückgang um rund 30%. Statt der geplanten 70’000 Besucher waren es nur etwa 45’000 Festivalgänger, die sich aufs Gelände in Rümlang trauten.
Und „sich trauen“ trifft es ganz gut: Zeitweise kam man sich nämlich tatsächlich ziemlich verlassen vor. Etwa am Donnerstag und frühen Freitag Abend, sowie am Sonntag, als es dann leider auch den ganzen Tag in Strömen regnete. Der Besucherrückgang war an allen Fronten deutlich spürbar: Schneller Einlass beim Eingang, kaum Wartezeiten auf den Damentoiletten, stets freie Sicht auf die Hauptbühne und gemütliches Stehen ohne angerempelt zu werden (sogar bei den Headlinern), speditive Bedienung an den Bars und kaum Wartezeit beim Essenholen. Rein theoretisch Traumbedingungen für jeden Festivalfan. In der Praxis jedoch lösten die fehlenden Besucher und somit die fehlende Stimmung doch ab und zu etwas Unbehagen aus.
Die Verbesserungen lagen hauptsächlich in der Organisation. So wurden zwar etwas kleinere, dafür mehrere WC-Anlagen aufgebaut (ausserdem deutlich näher bei der Hauptbühne als letztes Jahr, da musste man für den Toilettengang ewig lange quer übers ganze Gelände laufen) – diese waren auch zu jedem Zeitpunkt sauber. Die mit Holzplatten ausgelegten Wege waren wieder vorhanden, was das Gehen, vor allem am Sonntag, wesentlich vereinfachte. Die Bierpreise waren mit 5 Franken für ca. 3 dl (+ 2 Franken Depot) erstaunlich moderat und das Preis-Leistungs-Verhältnis der angebotenen Esswaren war wirklich sehr gut. Ebenso kam der Kaffeestand des Cafè Henrici verdammt gut an (vielleicht auch wegen der beinahe winterlichen Temperaturen nachts und am Sonntag auch tagsüber). Alles in allem war für das körperliche Wohl der Besucher in höchstem Masse gesorgt.
DONNERSTAG
Nun zu den Konzerten: Am Donnerstag gings für mich los mit Metronomy um 19.30 Uhr. Trotz spärlich vorhandenem Publikum gaben die Engländer eine tolle Show und schienen Spass zu haben. Mit ihren noblen, 60er-angehauchten Anzügen gaben sie ein homogenes Bild ab, welches perfekt zu ihrer Musik passte. Durch die phänomenale Musikanlage des ZOAs kam ihr Sound, im Gegenzug zu den sauber abgemischten Studioalben, super rockig und richtig funky rüber, was für einen guten Start in den Abend sorgte.
Danach bewegte sich die beschauliche Zuschauermenge ins Zelt zu Cut Copy. Die jungen Australier lieferten ein stimmiges, knackiges und spannendes Dance-Set ab, welches aber leider von der frühen Uhrzeit her noch nicht ganz passend schien und deshalb nicht für die Stimmung gesorgt hat, für die es hätte sorgen können.
Der Donnerstag Abend wurde auf der Hauptbühne bereits um 21.30 Uhr von Paolo Nutini abgeschlossen. Der schottische Sänger italienischer Herkunft ist für seine krächzige Soul-Stimme, seinen Wuschelkopf und für souligen Schmusepop bekannt. Unzählige Frauenherzen liegen ihm zu Füssen, was auch das Gekreische zwischen den Songs erklärte. Seine zahlreichen Live-Musiker, insbesondere ein kleines, aber feines Bläser-Ensemble, gaben Nutini’s romantischen Songs die perfekte Soul- und Funk-Note, um auf der grossen Bühne zu bestehen. Trotzdem war sein Set geprägt von Monotonie und nur wenigen Höhepunkten. Seine Fans waren jedoch durchwegs zufrieden!
FREITAG
Mit der Basler Band The Bianca Story gings für mich am Freitag schon nachmittags um 16 Uhr los. Obwohl ich ihr Schaffen schon sehr lange mit grosser Bewunderung verfolge, habe ich sie auf der Zeltbühne am ZOA zum ersten Mal live gesehen – und war begeistert! Obwohl ihre Musik, die vielerorts als Art-Pop bezeichnet wird, schon auf CD gut funktioniert und ordentlich rockt, kommen ihre Songs live noch intensiver rüber und wirken wie eine riesige, mit Wundertüten bestückte Sound-Wand. Schon nach kurzer Zeit zuckten die ersten Beine im Publikum und gegen Ende des Konzertes stand wohl niemand mehr still. Sympathische Menschen, tolle Musik, ein Sänger mit grossen Entertainerqualitäten und einer eingängigen Stimme, Songs, die im Kopf hängen bleiben und ein Gesamtpaket, das einfach stimmt.
Nach diesem gelungenen Start folgten Dry The River sogleich auf der Hauptbühne. Langsam tröpfelten die Festivalbesucher ein, aber es waren zum Konzertbeginn um 17 Uhr noch immer sehr wenig Leute auf dem Gelände, was wirklich schade war. Dry The River finde ich schon lange recht toll. Leider habe ich sie bis jetzt immer nur an Festivals gesehen und sie sind einfach keine Festivalband. Am besten würden sie in einen kleinen, schummrigen und intimen Club passen, in dem sie den Kontakt zum Publikum schneller herstellen können und mehr Aufmerksamkeit bekommen. Auf grossen Festivalbühnen wirken die Jungs stets deplaziert. Obwohl sie einen zusätzlichen Live-Musiker am Keyboard mitbrachten und eine sehr rockige und energiegeladene Show boten, kamen die Finessen ihrer Musik und die zerbrechliche Leidenschaft, die ihre Songs so speziell machen, schlichtweg nicht zur Geltung. Sänger Peter Liddle sang sich mit seinem kehligen Falsett um Kopf und Kragen und schaffte es doch nicht, das Publikum zu mehr als vorsichtigem Kopfnicken zu bewegen.
Schlag auf Schlag gings danach gleich weiter mit der Genfer Band Kadebostany. Was für eine wundersame und beeindruckende Band! Eine Mischung aus Elektro, Rap und Rock, gemischt mit einer Prise Balkanpop, einem exzellenten Bläser-Ensemble und einer vielseitigen und spannenden Bühnenshow – rundum ein gelungener und amüsanter Auftritt. Auf jeden Fall sollte man diese Band im Auge behalten! Am 17. Dezember spielt die junge Schweizer Band übrigens im Komplex Klub in Zürich (neben vielen anderen Schweizer Daten). Tickets gibts via Starticket.
Um 19 Uhr war es dann Zeit für das erste persönliche Highlight des Zürich Openairs: Die Manic Street Preachers. Zu schade, waren vor der Hauptbühne wieder nur eine Handvoll Zuschauer. Das sorgte stimmungtechnisch nicht gerade für einen Höhenflug. Trotz des tristen Ausblicks hauten die Waliser richtig fest in die Saiten, feierten das 20-jährige Jubiläum ihres Albums „Holy Bible“ und zeigten glücklicherweise nur ein paar wenige neue Songs vom umstrittenen „Futurology“, welches sie kürzlich veröffentlichten. Viel mehr spielten sie ein Set an Hits, was natürlich die Fans im Publikum äusserst selig stimmte. Trotz der Power der Band und der wohlausgesuchten Songs blieb der Grossteil der Zuschauer vom Konzert leider relativ unbeeindruckt. Ich jedenfalls freue mich schon auf ihre nächste Clubshow!
Nach einer Essenspause, in der die Band Darkside auf der Zeltbühne irgendwie komplett an mir vorbeigegangen sind (sie waren für die frühe Uhrzeit schlichtweg zu elektronisch, das hätte höchstens so gegen 1 Uhr morgens gepasst), begann Yoann Lemoine alias Woodkid seine sehnlichst erwartete Show. Opulent und bedächtig ging es los, wie eigentlich an jedem seiner Konzerte. Er startet meist mit einigen ruhigen Songs, um dann gegen Mitte des Sets so richtig loszulegen und seine epischen Kracher-Songs rauszuhauen. Ein dramaturgisch eher altmodisches Konzept, das aber stets wunderbar funktioniert! Woodkid war eines der ganz grossen Highlights, nicht zuletzt weil seiner Musik die bombastische ZOA-Musikanlage so richtig schmeichelte.
Die Editors gaben sich danach auf der Zeltbühne die Ehre. Ihre ganz grosse Erfolgswelle ist schon länger am abflachen, aber in Zürich wurden sie wärmstens empfangen und gefeiert. Der Auftritt war solide, aber langweilig routiniert und bot wenig Abwechslung und Höhepunkte.
Das Schlusslicht am Freitagabend bildete auf der Hauptbühne dann schliesslich Deadmau5. Naja, was soll ich dazu sagen… Mein Fall war es nicht. Obwohl die Bühnen- und Lichtshow jenseits von Gut und Böse war und wirklich grossen Eindruck machte, schwand mein Interesse nach 1, 2 Songs dann doch gemächlich dahin. Ein stundenlang gemächlich vor sich hin wippender Mauskopf ist nicht unbedingt das, was meine Aufmerksamkeit lange beanspruchen kann.
Samstag
Nachdem wir am Samstag dann schliesslich gar nicht am Festival waren, einerseits wegen Ermüdungserscheinungen vom langen Vortag und andererseits wegen dem wenig spannenden Programm, gings dann am Sonntag weiter. Strömender Regen sorgte aber für wenig Begeisterung und Motivation, so sah ich dann nur noch früh abends Morcheeba und Warpaint.
Sonntag
Morcheeba waren für mich persönlich der Überraschungs-Act des Festivals. Im Tagesanzeiger wurden sie als „Radio-Pop“ bezeichnet, was ich nicht ganz nachvollziehen kann, nachdem ich sie live gesehen habe. Die Songs waren richtig funky und Sängerin Skye Edwards war richtig gut drauf, hat immer mal wieder mit dem Publikum gesprochen und sich ständig Sorgen um die im strömenden Regen stehenden Zuschauer gemacht. Die sympathische Gruppe sorgte für ganz viele tanzende und glückliche Regenmäntelchen und Kapuzen-Zwerge.
So, und jetzt mal ganz undifferenziert und unprofessionell: Warpaint, die danach auf der Zeltbühne folgten, fand ich richtig schlecht. Ihre lustlose, desinteressierte Masche mag kalkuliert gewesen sein, aber Tatsache ist, dass da vier Frauen auf der Bühne standen, die ihre Instrumente nicht beherrschten und erst recht nicht singen können. Ein furchtbares Sound-Gewusel ohne Punkt und Komma, das uninspiriert vor sich hin wummerte.
Ein etwas fragwürdiger Abschluss für mich, aber der super Kaffee vom Cafè Henrici hats dann wieder gut gemacht. 😉 Als Fazit kann man wohl sagen, hatte sowohl das Programm als auch die Programmplanung, also die Spielzeiten der Bands, grosse Schwachstellen. Irgendwie fehlten die ganz grossen Namen für den Abend und die kleinen, aber feinen Bands zwischendurch zum Entdecken. Viele Überraschungen gab es nämlich während dieser 4 Tage nicht. Trotzdem, Highlights wie Metronomy, The Bianca Story, Kadebostany, Woodkid und Morcheeba bleiben im Gedächtnis.
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