Konzert-Kritik: Tori Amos, 31. Mai 2014 im Volkshaus Zürich

Launisch, unberechenbar und cholerisch – diese Adjektive bringt man mit der Ausnahmekünstlerin Tori Amos gerne in Verbindung. Nie kann man sich gewiss sein, ob ein Konzert gut werden wird, oder nicht, ob sie dem Publikum wohlwollend gegenübersteht oder es verabscheut – stets hängt es an dem seidenen Faden der Stimmungsschwankungen dieser rothaarigen, wilden Schönheit. Doch an diesem Abend in Zürich war Tori gut drauf, sehr gut sogar, und zeigte, warum sie zurecht die 90er musikalisch mitgeprägt hat und bis heute einen ungebrochenen Erfolg feiern darf.

Nach einigen Konzerten in der Schweiz mit voller Bandbesetzung entschied sich die Amerikanerin, dieses Mal alleine am Piano (oder besser: mit Piano und Orgel als Unterstützung) aufzutreten. In gewohnter Tori-Manier wechselte sie während des Sets stets zwischen den beiden Instrumenten, spielte teilweise sogar gleichzeitig darauf.

Die Sängerin ist deutlich ruhiger geworden, das merkt man hauptsächlich in Interviews, aber auch auf der Bühne. Ihre überdrehte, exzentrisch übertriebene Art hat sie grösstenteils abgelegt, kann diese aber noch wunderbar in ihr Songwriting einfliessen lassen. Und trotz dieser gesetzten Ruhe, die sie ausstrahlt und sich wahrscheinlich auch zu grossen Teilen als Mutter angeeignet hat, spürt man immer noch diese unbändige Energie und Lust, die von ihr ausgeht. Als würde in ihr ein ständig kreischendes Biest schlummern, das nur darauf wartet, endlich freigelassen zu werden… Tori weiss diese Kraft geschickt zu zügeln, zu bündeln und in berauschende, emotionsgeballte, intelligente Songs zu packen. Ihre Emotionen trägt sie in ihren Fingern, die über die kühlen Tasten ihres Bösendorfer-Flügels gleiten als wären sie eigens dafür geschaffen worden. Übrigens, auch sehr speziell: Anstatt sich mit dem Klavier oder Flügel vor Ort zu begnügen, nimmt Tori ihren eigenen Flügel mit auf Tour! Ob Star-Allüren oder purer Perfektionismus sei dahingestellt.

Perfektionistisch ist auch das Konzert der Künstlerin. Das Set ist unberechenbar, zeigt Songs, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen wollen, aber an diesem Abend im Zürcher Volkshaus zu einem ganz besonderen Gesamtwerk zusammenkommen und ein spannendes, harmonisches Set erzeugen. Besonders hervorheben muss man an dieser Stelle das mutig ausbrechende, freche „Bachelorette“ und ebenso die tragisch schöne Gänsehaut-Kombination des James Taylor-Covers „Fire and Rain“ mit dem darauffolgenden „1000 Oceans“. Und all diese Songs performt Tori mit einer betörenden Leidenschaft, setzt geschickt Akzente, wirft provozierende, auffordernde Blicke ins Publikum, formt mit ihrer Stimme Kapriolen, die kaum menschenmöglich sind, haucht und krächzt und stöhnt ins Mikrofon, dass beinahe das Blut in den Adern gefriert. Wo man sich bei einem Rufus Wainwright eine Band herwünschte, wäre sie bei Tori Amos eindeutig fehl am Platz – sie braucht keine Band, sie ist eine einnehmende, begeisternde One-Woman-Show. Am allerbesten kommen ihre Qualitäten zur Geltung, wenn sie ganz reduziert auf die zwei wesentlichen Bestandteile sind: Ihre Stimme und ihr Klavier. Hier folgt auch schon der winzig kleine Wehrmutstropfen: Als die Sängerin ihren grössten Hit aus den frühen 90ern anspielt, „Cornflake Girl“, setzt aus den Boxen plötzlich ein Playback einer Band-Begleitung ein – das war etwas schade und unnötig. Völlig untergegangen ist unter dem peitschenden Schlagzeug und der Gitarre dann ihr wunderbares, mächtiges Klaviersolo, welches das Ende des Stücks ziert. Über diese Einlage sah man aber grosszügig hinweg. Das Konzert war dann auch viel zu schnell vorüber. Am liebsten wäre man danach gleich noch mit der Sängerin auf ein Glas Rotwein in eine gemütliche Bar verschwunden.

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