Ja, Panik sind seit Beginn ihrer Schaffenszeit die Lieblinge sämtlicher Musikkritiker und haben sich in Rekordzeit eine verschworene Fangemeinde aufgebaut. Die österreichischen Wahl-Berliner haben ihre Wut, Rebellion und Aggression gegenüber der kapitalistischen Gesellschaft in eine Hülle aus deutsch-englischen Poprock gepackt und eroberten damit die Nation im Eiltempo. Nun haben sie gerade ihr neustes Album namens Libertatia veröffentlicht und betouren damit Europa.
Libertatia – laut Definition eine fiktionale anarchistische Kolonie, die im 17. Jahrhundert in Madagaskar von Piraten gegründet wurde. Ganz unter dem Motto bestritten die Jungs dann auch ihr Konzert. „Wo wir sind ist immer Libertatia“. Doch dazu später mehr.
Über die Vorband Bo Candy & His Broken Hearts kann man gar nicht so viele Worte verlieren. Die ebenfalls aus Österreich stammende Truppe bot recht simplen Americana-Bluesrock und lebte hauptsächlich durch die Stimme des Sängers Thomas Bronais, dessen krächziges Timbre stellenweise sogar an Bob Dylan erinnerte. Die gesamte Wirkung der Band war eher statisch und uninspiriert, die Songs zeigten sich eintönig und waren durchwegs nach dem selben Schema aufgebaut. Meistens handelte es sich dabei um eine etwa dreiminütige Wiederholung ein und desselben Riffs, dekoriert mit einer Bridge gegen Ende des Songs, um dann sogleich wieder in die Monotonie von zuvor zu verfallen. Keine grosse musikalische Leistung, aber für eine Vorband ganz okay.
Der Stall 6 war mittlerweile gut gefüllt und Ja, Panik trat unter dem Getöse eines epischen Intros auf die Bühne, empfangen von euphorischem Applaus des Publikums. Das neue Album der Österreicher, Libertatia, welches im Vorfeld hochgelobt wurde, steigerte die Erwartungen aufs Konzert zusätzlich. Die Spannung lag förmlich in der Luft, als die Band zum ersten Song ansetzte – und der Kampf um eben diese Spannung sollte das nun folgende, knapp eineinhalbstündige Konzert dominieren.
Dass Ja, Panik keine Band mit grossen Entertainerqualitäten ist, damit hatte man im Vorfeld sowieso gerechnet. Dass Sänger Andreas Spechtl, ein lauter Revoluzzer mit bleichem Teint, nicht mit dem Publikum kommuniziert, führt man auf seinen verschrobenen, gehemmten Charakter zurück. Und obwohl die Band musikalisch einwandfrei spielte, die Musik satt und rockig abgemischt war und soweit eigentlich alles stimmte, sprang der Funke kaum aufs Publikum über. Die Stimmung war sehr zurückhaltend und abwartend und man hatte das Gefühl, dass niemand sich so wirklich auf das einlassen konnte, was sich da auf der Bühne abspielte. Doch woran scheiterte es?
Das Set war durchmischt mit neuen Songs und einigen älteren, die zwar merklich besser beim Publikum ankamen, trotzdem fehlten eindeutig Songs, die „zupackten“ und das Publikum mitreissen sollten. Stellten sich Ja, Panik mit ihrem neuen, poppigen, beinahe Schlager-artigen Einschlag nun selber ein Bein? Oder waren sie an diesem Abend nicht wirklich in guter Form? Waren die Musiker, welche als Unterstützung dabei waren, noch nicht im Team angekommen? Man fand an diesem Abend keine Antwort auf die Fragen, die ganz offensichtlich im Raum standen. Vielleicht kümmerte sich die Band auch gar nicht wirklich darum, bei den Leuten gut anzukommen und wählte ganz gezielt eher sperrige Songs aus, frei nach dem Motto „Libertatia“: Man lässt sich nicht vorgeben, was man zu tun hat, man will nicht gefallen, sondern zieht einfach sein eigenes Ding durch. Und doch gab es einzelne Lichtblicke während des Konzertes und vor allem gegen Ende, vor allem im Zugabenblock, schienen alle plötzlich aufzutauen.
Beim Titelsong ihres neuen Albums, Libertatia, etwa in der Mitte des Konzertes, spürte man zum Beispiel eine deutliche Veränderung in der Band: Sänger Andreas Spechtl liess sich plötzlich gehen. Seine bis anhin kontrollierte Art des Gesangs löste sich auf, es war als liesse er seine Hemmungen fallen, und seine Stimme klang überraschend wild und brüchig. Das Publikum war auch sofort wie ausgewechselt und es geriet Bewegung in das Ganze, die jedoch nach dem Song bereits wieder abflachte. Gegen Ende des Sets legten Ja, Panik aber deutlich zu und man spürte fast eine Art Dramaturgie in dem ganzen, eine Steigerung hin gegen den Schluss des Konzertes, und bei den Zugaben schien der Bann dann ganz gebrochen. Aber auch hier fiel auf, dass es eigentlich hauptsächlich an Sänger Spechtl lag, der seiner Stimme wieder freien Lauf liess und schrie, krächzte und jammerte, was sie nur hergab.
Den Stall 6 in Zürich verliess man an diesem Konzertabend, beziehungsweise in dieser Konzertnacht, mit eindeutig gemischten Gefühlen. Man muss sagen, dass Ja, Panik musikalisch einwandfrei daherkamen, aber der Funke sprang nicht definitiv über. Wenn, dann höchstens gegen Ende, was aber nicht über das vorangehende Konzert hinwegtröstete.
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